Die Erklärung des Problems liefert eines der ältesten und elementarsten Gesetze der Elektrotechnik: Das Ohm'sche Gesetz. Es beschreibt die Zusammenhänge der elektrischen Grundgrößen Spannung, Strom und Widerstand. Die Generatoren der Kraftwerke induzieren in ihren Spulen eine Spannung. Über die Leitungswege und die Verbraucher bei den Stromkunden schließt sich der Kreis und es fließt, getrieben von der induzierten Spannung ein Strom. Wie hoch der Strom ist, bestimmen die Widerstandsverhältnisse in den Verbrauchern, den Leitungswegen und den sonstigen Anlagen innerhalb des Stromkreises. Dies alles sind primäre Grundlagen, die der Auszubildende Elektrohandwerker schon in einer der ersten Unterrichtseinheiten lernen wird. Betrachtet man jedoch die Größenordnungen der elektrischen Leistung, die Tag für Tag geliefert und von den Kraftwerken zu den Stromkunden übertragen werden, so wird schnell ersichtlich, welche Auswirkungen die einfachen Zusammenhänge des Ohm'schen Gesetzes in der Praxis haben.

Spannungsabfall an elektrischen Leitungen

Jede elektrische Leitung hat einen Widerstand (R), der sich aus einer Materialkonstante, dem spezifischen Widerstand (r), der Leitungslänge (l) und deren Querschnitt (A) errechnet. Da der Stromkreis stets zwei Leiter erfordert, kann der Widerstand einer Leitung nach der folgenden Formel errechnet werden:

R = 2*l*r / A

Fließt nun ein Strom durch die Leitung, so wirkt der Widerstand dieser Leitung wie ein Teil eines Spannungsteilers: Die von der Quelle angelegte Spannung teilt sich anteilig auf den Verbraucher und dem Leitungswiderstand auf. Dem Verbraucher steht also eine entsprechend geringere Spannung zur Verfügung als sie ursprünglich vom Transformatorausgang angeboten wird. Wie hoch der Spannungsabfall an den Leitungen ist, bestimmt nach dem Ohm'schn Gesetz der fließende Strom. Das bedeutet: Je größer die elektrische Gesamtleistung der Verbraucher ist, umso höher sind auch die Spannungsverluste an den Leitungswegen.

Ein einfaches Beispiel soll das Prinzip verdeutlichen: Es wird eine Kabeltrommel mit einem Aderquerschnitt von 1,5mm2 und einer Länge von 50m verwendet. Die Netzspannung beträgt 230V. An diese Kabeltrommel soll in einem Fall eine einfache Handleuchte und einmal ein Elektroschweißgerät angeschlossen werden. Beim Betrieb der Handleuchte wird ein Strom von 250mA gemessen. Ein erheblich größerer Stromfluss ist messbar, wenn das Schweißgerät eingeschaltet wird. Es werden der Einfachheit wegen induktive und kapazitive Eigenschaften vernachlässigt.

Der spezifische Widerstand von Kupfer ist 0,0178 W*mm2/m. Für ein (2x, weil zwei Adern für den Stromkreis benötigt werden) 50m langes Kabel mit einem Querschnitt von 1,5mm2 pro Ader bedeutet dies, dass allein die Kabeltrommel einen Widerstand von 1,2W hat. Das erscheint ein sehr geringer Wert zu sein, doch wie sieht die Situation bei den verschiedenen Lastsituationen aus?

1. Fall: Belastung mit einer Leuchte:

Wenn die kleine Handleuchte an die Kabeltrommel angeschlossen wird, fällt nach dem Ohm'schen Gesetz an der Leitung eine Spannung von 0,3V ab. Nach der Beziehung P=U*I nimmt die Leitung eine Leistung von 75mW auf.

U=R*I

U=1,2W*0,25A

U=0,3V

2. Starke Belastung

Wenn das Schweißgerät angeschlossen wird und ein Strom von 10A fließt, dann fallen unter den beschriebenen Bedingungen plötzlich 12V allein an der Leitung ab. Von der Netzspannung mit 230V stehen dem Gerät also gerade mal noch 218V zur Verfügung. Dies ist zwar für den Betrieb ausreichend, jedoch bedeutet dies auch, dass an der Leitung eine Verlustleistung von 120W(!) in Wärme umgesetzt wird. Das ist erheblich und bei einer aufgerollten Trommel deutlich an deren fühlbaren Wärmeentwicklung zu erkennen.

U=R*I

U=1,2W*10A

U=12V

Höhere Spannungen reduzieren Verluste

Es sei ein anderes Szenario für den Betrieb des Schweißgerätes angenommen, wobei die Verbraucher und die Kabeltrommel identisch bleiben. Allerdings sollen in dieser hypothetischen (!) Überlegung Transformatoren zum Einsatz kommen und die Spannung am Eingang der Kabeltrommel um das zehnfache erhöhen bzw. an der Anschlusssteckdose für das Schweißgerät wieder auf 230V zurück transformieren. Die Transformatoren werden als verlustfrei angenommen.

Die Transformation von 10:1 der Spannung wirkt sich auch auf den Strom aus, der nunmehr nur noch ein Zehntel, also 1A beträgt. Da der Widerstand der Leitung unverändert ist, fällt an der Kabeltrommel nur noch eine Spannung von 1,2V ab. Entsprechend gering ist auch die Leistungsaufnahme der Leitung, die auf 1,2W gesunken ist und somit nur 1% des Wertes ausmacht, den eine untransformierte Speisung des Gerätes an der Leitung verursacht.

Die Transformation vor und nach der Leitung wirkt sich auch auf die Höhe der Spannung direkt am Gerät aus. Werden die 2298,8V am Leitungsende wieder auf ein Zehntel herunter transformiert, liegen direkt am Gerät 229,88V an. Die Spannung ist also lediglich um 0,12V abgesunken.

Dieses einfache Beispiel (wie gesagt hypothetische, weil in der Praxis keine Hochspannungsübertragung über eine einfache Kabeltrommel vorgesehen ist) verdeutlicht bereits das Prinzip der Wechselstromübertragung. In Stromversorgungsnetzen wird mit erheblich höheren Leistungswerten gearbeitet. Aus diesem Grunde wird die Spannung bei Überlandleitungen auf mehrere Tausend bzw. Hunderttausend Volt herauf transformiert und im Verteilerbereich zunächst nur auf mehrere Kilovolt herab transformiert. Erst in der unmittelbaren Nähe der Verbraucher wird die Spannung auf ein haushaltsübliches Niveau (230V/400V) abgesenkt. Im Bereich der Niederspannungsabschnitte werden entsprechend große Kabelquerschnitte verlegt, um den Spannungsabfall zu minimieren. Allerdings werden auch Stromstärken von beispielsweise 630A kalkuliert.

Wechselstrom hat Nachteile

Ein Kabel wird technisch nicht allein durch seinen Leitungswiderstand beschrieben. Vielmehr müssen in der Wechselstromtechnik noch weitere Kennwerte berücksichtigt werden. So wirkt der Leiter für Wechselströme wie eine Längsinduktivität, die mit steigender Frequenz einen höheren Widerstand besitzt. Darüber hinaus wirken die benachbarten Leiter eines Kabels wie ein Kondensator, deren Kapazität für Wechselströme ebenfalls einen Widerstand darstellt. Der kapazitive Widerstand nimmt jedoch mit steigender Frequenz ab.

Diese Eigenschaften machen sich insbesondere im Bereich der Nachrichtentechnik störend bemerkbar, wo mit extrem hohen Frequenzen gearbeitet wird, die durchaus mehrere hundert Megahertz betragen können. Bei der regulären Frequenz des Starkstromnetzes sind die induktiven und kapazitiven Eigenschaften der Kabel auf kurzen Strecken nahezu vernachlässigbar. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn die Strecken sehr lang werden und möglicherweise auch Seekabel zum Einsatz kommen. Hier machen sich die kapazitiven Einflüsse sehr störend bemerkbar und führen zu großen Leistungsverlusten im Kabel.

Eine weitere Eigenschaft des Wechselstroms setzt der Übertragung hoher Leistungen Grenzen. Der Querschnitt der Leitungen muss entsprechend der Stromstärke dimensioniert sein, jedoch verursachen Wechselströme den so genannten "Skineffekt". Auch dieser ist nicht allein in der hochfrequenten Nachrichtentechnik ein Problem, sondern auch für die Übertragung elektrischer Energie über weite Distanzen. Um höhere Leistungen zu übertragen werden deswegen nicht dickere Leiterquerschnitte gewählt, sondern es werden mehrere komplette Strecken parallel auf einer Trasse vorgesehen.

Um sowohl die Wirkungen der frequenzabhängigen Widerstände der Leitung als auch den Skineffekt zu vermeiden, setzt man nun zunehmend auf Hochspannungs-Gleichstromtechnik. Die Idee ist nicht neu und war einst der ursprüngliche Gedanke für den Ausbau der Stromnetze.

Vor 120 Jahren wurden in einem sprichwörtlichen "Stromkrieg" zwischen Thomas Alvar Edison und seinem Rivalen George Westinghouse die Weichen für eine Wechselstrom-Übertragung elektrischer Energie gesetzt. Das hatte damals einen einzigen ausschlaggebenden Grund: Wechselspannung kann mithilfe von Transformatoren auf bedeutend höhere Werte gebracht und der Stromfluss auf der Leitung bei gleichem Querschnitt und gleicher Last deutlich reduziert werden. Gleichspannung ließ sich damals nicht problemlos in der Höhe verändern. Heute sieht die Situation allerdings anders aus und so wird die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) insbesondere für sehr lange Strecken interessant.

Hochspannungs-Gleichstromübertragung

Während bei der Wechselstromübertragung infolge des Skineffektes verstärkt die Außenbereiche des Leitungsquerschnittes durchflossen werden und der Kern weitgehend ungenutzt bleibt, erfolgt der Durchfluss durch den Leiterquerschnitt bei Gleichstrom gleichmäßig. Deswegen und auch wegen der dielektrischen Verluste insbesondere bei den immer häufiger benötigten Seekabeln, kommt zunehmend häufiger die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) oder High Voltage Direct Current (HVDC) zum Einsatz. Da weniger Leitungen zur Übertragung dem Drehstrom äquivalenter Leistungen benötigt werden, bekommt Gleichstrom unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes eine besondere Bedeutung, denn es werden weniger Rohstoffe benötigt (auch ein wirtschaftlicher Aspekt) und es müssen weniger Schneisen gerodet werden, um Hochspannungstrassen durch die Landschaft zu verlegen.

Unabhängig von der Art der Übertragung wird Strom heute nach wie vor mit Drehstromgeneratoren erzeugt und als Drehstrom ins Netz wieder eingespeist. An den Endpunkten einer Hochspannungs-Gleichstromübertragungs-Strecke befinden sich deswegen Konverter-Stationen, die je nach der Betriebsrichtung als Gleich- und Wechselrichter wirken. Die Konverter-Stationen sind im Grunde genommen baugleich, wirken jedoch ihrem Sinn entsprechend. Sie setzen sich aus Transformatoren, Stromrichtern und Glättungsdrosseln zusammen, mit denen die Welligkeit der erzeugten Gleichspannung minimiert wird.

Fazit

Internationale Vernetzungen der Stromnetze aber vor allem auch die Offshore-Energieversorgung durch Wind-, Wellen- und Gezeitenkraftwerke machen modernere Verfahren zur Energie-Fernübertragung nötig, als sie derzeit mit den verfügbaren (Drehstrom-)Hochspannungsnetzen realisierbar sind. Nach wie vor gilt das Ohm'sche Gesetz. Daraus abgeleitet, muss die Stärke der Ströme möglichst minimiert werden, was nur bei einer extrem großen Spannung möglich ist. Dreh-/Wechselstromnetze geraten hier schnell an ihre physikalischen Grenzen.

(rs/02-2012)