Es war ein herrlicher Nachmittag im Kärntner Örtchen Mail auf dem Test- und Übungsgelände für Fahrsicherheit des ÖAMTC, dem österreichischen Pendant zum ADAC in Deutschland. Dem Autor dieses Beitrages ist dieser Ort nicht unbekannt, denn schon zweimal absolvierte er die Schikanen der verschiedenen Parcours in privaten Fahrsicherheitstrainings. Es kommen Erinnerungen hoch, wie Achterbahnfahrten auf der Schleuderplatte und Frontalduschen beim Brems-Reaktionstest. Auch das unfreiwillige „Wenden“ in der rutschigen Kurve machte zwar im Training großen Spaß, zeigte aber auch, wie eng die physikalischen Grenzen beim Autofahren gesetzt sind. All diese Aufgaben waren nun mit einem elektrisch angetriebenen Fahrzeug, der Mercedes A-Klasse E-CELL zu bewältigen.

Permanenter E-Antrieb versus Kupplung

In kritischen Situationen kann der eingefleischte „Schaltwagenfahrer“ einige Gefahren mit einem Tritt in die Kupplung in den Griff bekommen. Das Getriebe trennt die Räder vom Antrieb und es wird somit Energie aus der Fahrt genommen. Bei einem Automatikgetriebe ist das meist etwas anders, wie man es beobachten kann, wenn man aus dem Stand die Bremse löst: Das Auto fährt – in der Wahlhebelposition „D“ – sofort los. Die Kraft wird also nicht vollständig von den Rädern genommen.

Auch die elektrische A-Klasse ist zunächst einmal ein Fahrzeug mit „Automatik“. – Jedenfalls ist dies rein optisch der Fall, denn in der Mitte befindet sich der klassische Wahlhebel eines Automatik-Fahrzeuges und im Fußraum vor dem Fahrersitz die beiden Pedale für das „Gas“ und die Bremse. Die Schwierigkeit, für bekannte Armaturen den richtigen Begriff zu finden, kommt schon daher, dass ein Elektrofahrzeug eben kein Automatik-Fahrzeug ist. Es besitzt schließlich keine „Gänge“. Auf ebener Fläche bleibt das Auto stehen, wenn man den Fuß von der Bremse löst. Erst ein Tritt auf das „Gas“-Pedal, das eigentlich Fahrtregler heißen müsste, bewirkt das Anfahren des Autos. Nimmt man den Fuß wieder vom Pedal, so rollt der Wagen ohne weiteren Antrieb aus. Das Verhalten des Fahrzeuges entspricht also ungefähr dem eines Schaltwagens bei getretener Kupplung.

Beim Beschleunigen ist allerdings ein Unterschied zwischen Fahrzeugen mit Schaltgetriebe und ebenso zu Fahrzeugen mit klassischem Automatik-Getriebe zu erkennen: Es gibt keine Gänge! Die Beschleunigung des Fahrzeuges mit dem E-CELL-System erfolgt kontinuierlich und permanent. Neben dem sehr kraftvollen Drehmoment, was bereits direkt vom Stand weg greift, verleihen auch die fehlenden Schaltpausen der A-Klasse E-CELL gegenüber vergleichbaren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor einen Vorteil. Dies erkannte auch der damalige Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler, der nach einer mehrtägigen Testfahrt mit einer A-Klasse E-CELL feststellte: „Das Drehmoment der elektrischen A-Klasse ist so dynamisch, dass sogar sehr hochkarätige Limousinen Mühe haben, vom Stand weg mitzuhalten.“ Auch diese Aussage wollten nun sehr gespannte Journalisten selbst überprüfen.

Der Parcours

Wer auf dem Test- und Übungsgelände an einem Fahrsicherheitstraining teilnimmt, wird jede Aufgabe einzeln absolvieren und dabei mehrmals wiederholen. Für die Testfahrten mit der Mercedes A-Klasse E-CELL wurde ein einziger Gesamt-Parcours definiert, der folgende Aufgaben umfasste:

  • Schleudertraining (nasser Spezialbelag auf der Fahrbahn)

  • Kurvenfahrt auf Steigungen und Gefälle

  • Traktionstraining in der Kurve (nasser Spezialbelag auf der Fahrbahn)

  • Ausweichtraining („Elchtest“ bei nassem Spezialbelag auf der Fahrbahn)

  • Beschleunigen an einer Steigung

Darüber hinaus war es allgemein möglich, den Parcours auch nach eigenen Vorstellungen zu durchfahren, um zum Beispiel die Fahrdynamik auf ebener Straße oder das Verhalten bei einer Vollbremsung zu testen.

Das Schleudertraining

Die „Schleuderplatte“ ist das absolute Highlight eines jeden Fahrsicherheitstrainings. Die Platte wird mit einer Geschwindigkeit von ca. 35 km/h bis 50 km/h durchfahren. Dem Fahrzeug wird dabei automatisch ein seitlicher Impuls auf die Hinterachse gegeben. In der Folge dessen bricht der Wagen aus und kommt in der angestoßenen Richtung auf dem nassen Spezialbelag der Fahrbahn ins Schleudern. Die Aufgabe ist es nun, durch reaktionsschnelles und beherztes Gegenlenken das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen und die Fahrt ohne Zwischenstopp fortzusetzen. Dabei sollte die Aufgabe mit dem Durchfahren eines durch Pylonen gebildeten Tores verlassen werden.

Gleich bei dieser ersten Aufgabe drehten sich fast alle Teilnehmer um die eigene Achse, jedoch fuhren alle Mercedes A-Klasse stets wieder unbeschadet aus dem Aufgabenbereich heraus. Nach wenigen Versuchen gelang es dann immer häufiger, die Aufgabe zu meistern, was in erster Linie an der Übung des Fahrers lag, aber auch durch das ESP (Elektronisches Stabilisierungsprogramm) der A-Klasse unterstützt wurde. Im Vergleich zu früheren Erfahrungen auf der Schleuderplatte wirkt der elektrische Mercedes sehr souverän und leicht beherrschbar.

Fahrverhalten in Kurven

Der Weg von der Schleuderplatte zum Kurventest auf nasser Fahrbahn führte über eine Strecke mit sehr engen Kurven auf hügeligem Gelände. Dies war eine gute Gelegenheit, um das Auto beherzt zu beschleunigen und das Fahrgefühl bei intensiven Lenkbewegungen zu testen. Im Rahmen der Orientierungsfahrt wurde an dieser Stelle des Parcours darauf hingewiesen, dass die Beschleunigung an Steigungen merklich geringer sein würde als auf einer ebenen Straße. Dies gilt natürlich auch für Fahrzeuge mit einem Verbrennungsmotor, jedoch zeigt sich gerade der Elektroantrieb als eine sehr spritzige Alternative. Mit jeder neuen Runde kam eine gewisse Vorfreude auf die Fahrt in der Ideallinie durch die Kurvenstrecke auf. Zu keiner Zeit entstand der Eindruck, bei diesem Fahrstil aus der Kurve getragen werden zu können. Das Auto fuhr beinahe wie auf Schienen, was neben dem ESP auch dem tiefen Schwerpunkt durch das Batteriegewicht geschuldet sein dürfte.

Trotz der Steigungen auf diesem Streckenabschnitt setzt die A-Klasse E-CELL das Drehmoment des Elektromotors sehr gut auf die Straße in Beschleunigung um. Natürlich ist das Auto mit 50kW (Standard-Leistung, Spitzenleistung temporär: 70kW) nicht mit einem elektrisch angetriebenen Sportwagen vergleichbar, der von 0 auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden beschleunigt, jedoch wirkte der Wagen zu jeder Zeit souverän und hatte stets noch Reserven zu bieten.

Auf der Kurvenfahrt über den nassen Spezialbelag war es allerdings mit der Fahrt „wie auf Schienen“ vorbei. Der nasse Spezialbelag simulierte eine Schneefahrbahn, die nicht „ungestraft“ mit dem Bleifuß durchfahren werden konnte. Bei einem Tempo von rund 35 km/h, eine relativ hohe Geschwindigkeit für diese Aufgabe, war die A-Klasse schwierig zu lenken. Dabei brach jedoch nicht das Heck unkontrolliert aus, sondern der Wagen untersteuerte und schob über die Vorderachse aus der Kurve heraus. Wenn der Fuß vom „Gaspedal“ genommen wurde, war das Auto nach wenigen Metern wieder sauber unter Kontrolle. Bei einer Geschwindigkeit von 31,8 km/h (Anzeige an der Ausfahrt der Aufgabe) begann der Wagen zwar ebenfalls zu untersteuern, jedoch blieb er innerhalb der Spur. Maßgeblichen Einfluss auf das Fahrverhalten in den Kurven hatte zweifellos das Elektronische Stabilisierungsprogramm (ESP), das auf glatten Fahrbahnen seine Fähigkeiten voll ausspielen konnte.

Der „nasse Elchtest“

Die A-Klasse wurde auch 14 Jahre nach dem spektakulären Missgeschick in Schweden immer wieder mit dem „Elchtest“ in Verbindung gebracht. Dabei handelte es sich um einen Ausweichtest mit einer Geschwindigkeit von ca. 65 km/h. Ein solcher Test war in einem vergleichbaren Maßstab auf dem Testgelände nicht vorgesehen. Dies mag verschiedene Gründe haben, wie zum Beispiel versicherungs- und haftungsrechtliche Aspekte. Die Testfahrer waren durchweg Journalisten, die keine spezielle Ausbildung für das Fahren in extremen Situationen haben. Dennoch wurde ein „kleiner“ Elchtest in den Parcours integriert:

Auf der – einer Autobahn vergleichbaren – Spurbreite wurde in die Schikane eingefahren. Eine automatisch auftauchende Wasserwand simulierte ein plötzlich auftauchendes Hindernis, dem es auszuweichen galt. Das Ausweichmanöver begann erst mit dem Erscheinen der Wasserwand. Nach wenigen Metern begegnete dem Fahrer erneut eine Wasserwand, die Gegenverkehr simulierte und zum abermaligen scharfem Spurwechsel zurück auf den rechten Fahrstreifen zwang.

Der „kleine Elchtest“ war zwar nicht mit dem Verfahren vergleichbar, wie es vor 14 Jahren in Schweden durchgeführt wurde und barg deswegen auch nicht das Risiko eines Umkippens, jedoch zeigte sich das Fahrverhalten und die Lenkfähigkeit des Fahrzeuges sehr gut. Erst bei einer Geschwindigkeit, die bei vergleichbaren Straßenverhältnissen als grob fahrlässig zu bewerten wäre, griffen die Räder nicht mehr und das Fahrzeug reagierte nicht mehr auf Lenkbewegungen. Die A-Klasse rauschte durch die Wasserwand. In diesem Fall lag die gefahrene Geschwindigkeit bei etwas über 50 km/h. Zur Erinnerung: Es handelte sich um einen nassen Spezialbelag der Fahrbahn, der mit einer rutschigen Schneefahrbahn vergleichbar ist. 50 km/h stellen hier eine sehr hohe Geschwindigkeit dar.

Grundsätzlich bereitete auch der minimalistische „Elchtest“ der A-Klasse E-CELL keine Probleme. Das Auto war stets leicht beherrschbar und lag gutmütig auf der Straße.

Beschleunigen an der Steigung

An verschiedenen Stellen des Parcours boten sich bereits Möglichkeiten, auch einmal etwas intensiver zu beschleunigen, jedoch waren diese Streckenabschnitte meist sehr kurvenreich. In einem letzten Abschnitt ging es an einer Gerade bergauf. Hier konnte einmal sehr intensiv beschleunigt werden, allerdings war die Strecke zu kurz, um einen Vergleichswert von 0 auf 100 km/h zu ermitteln. Das subjektive Fahrgefühl konnte jedoch überzeugen: Trotz der Steigung machte die elektrische A-Klasse zu keiner Zeit den Eindruck, an Kraft zu verlieren. Selbst beim Anfahren an der Steigung nahm das Auto rasch Fahrt auf, auch wenn – trotz ESP – einmal die Räder ins Durchdrehen kamen.

Fazit

Die ersten Fahrten, die auf dem Parcours des ÖAMTC-Test- und Übungsgelände absolviert wurden, können im Rückblick natürlich noch keine belastbare Gesamtbewertung des Vorserienfahrzeuges zulassen. Es fehlen dazu Streckenfahrten, in denen beispielsweise die Reichweite der Batterien unter verschiedenen Bedingungen wie unterschiedliche Temperatur-Verhältnisse, Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten sowie Fahrten im Gebirge erprobt werden. Auch war das Testgelände nicht für Beschleunigungsmessungen von 0 auf 100 km/h sowie für längere Hochgeschwindigkeitsfahrten ausgelegt. Dennoch vermittelten die ersten Probefahrten ein sehr beeindruckendes Ergebnis. Der Wagen lag ausgesprochen gut auf der Straße, ließ sich sehr einfach fahren und machte auch im Innenraum einen vollwertigen Eindruck.

Wer das Vorserienmodell der Mercedes A-Klasse E-CELL auf dem Testgelände gefahren ist und möglicherweise an gleicher Stelle bereits ein Fahrsicherheitstraining mit dem eigenen PKW absolviert hatte, kommt unweigerlich zu dem Schluss, dass dieses Elektrofahrzeug ohne Zweifel mindestens mit der Konkurrenz mit Verbrennungsantrieb mithalten kann.

Der persönliche Eindruck: Das Fahren mit dem „elektrischen Stern“ machte Spass, ist dynamisch und hinterließ zu keiner Zeit ein Gefühl der Unsicherheit. Der desaströse Elchtest vor 14 Jahren wurde endgültig widerlegt.

(rs/02-2012)